Weitere Informationen über Agostino Fasciati
1. Agostino Fasciati: Der Lehrer
Agostino Fasciati unterrichtete in einer Reihe von Orten, auch in Italien und in Schulen der Deutschschweiz, allerdings meistens nur für ein Schuljahr: Ponte di Cene (BG), Vicosoprano, Casaccia, Poschiavo, Legnano, Zug, Sankt Gallen und Medels. Bevor er als Lehrer in der Schweizer Schule Bergamo anfing, in der er zehn Jahre – bis 1908 – bleiben sollte, hatte er Kurse in Florenz und Zürich besucht: Wegen Geldmangels musste er jedoch auf das Universitätsstudium, an dem ihm viel lag, verzichten. Im Jahr 1912 wurde er als Lehrer an die 1903 in Soglio gegründete Realschule berufen. Agostino widmete sich seiner Lehrtätigkeit mit Hingabe, bis der Schulrat, unterstützt vom Gemeinderat, entschied, die Oberschule in Soglio zu schliessen. Nicht, weil es an Schülern mangelte oder Agostino sich seiner Tätigkeit nicht mit der nötigen Ernsthaftigkeit widmete... sondern schlicht, weil man den streitbaren Lehrer sozialistischer Prägung, der sowohl in der lokalen wie der kantonalen Politik aktiv war, loswerden wollte. Alle Einwände des Betroffenen waren umsonst. Agostino unterrichtete noch zwei Jahre in Ausserferrera, bevor seine Lehrerkarriere endgültig endete.
2. Agostino Fasciati: Der Sozialist
In seiner Autobiographie schreibt Agostino Fasciati, dass er in Ponte di Cene (Bergamo) Sozialist wurde, wo er als Privatlehrer bei den aus der Schweiz stammenden Besitzern der Werke Tobler, Widmer und Saxer arbeitete. Wörtlich heisst es: „Hier kam ich das erste Mal mit einer Fabrik in Berührung und wurde Sozialist.“ Sein Entschluss festigte sich während seines Aufenthalts in Florenz, als er sich der sozialen Frage bewusst wurde, welcher sich in den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts vor allem Filippo Turati und Camillo Prampolini widmeten. Der junge Agostino begeisterte sich für die Sache der Arbeiter und Bauern, für Genossenschaften, Volkswohnungen und Volksschulen. Seine Aufrufe, vor allem aber seine Hoffnungen, dass die Bergbauern ihre wirtschaftliche und soziale Lage verbessern konnten, wenn sie vom Klassenkampf der Arbeiter lernten, wurden zutiefst enttäuscht. Für ihn ging es jedoch immer darum, sich für die Prinzipien Würde, Gerechtigkeit und Gleichheit einzusetzen.
3. Agostino Fasciati: Der Publizist
Erstmals journalistisch tätig wurde Agostino Fasciati im letzten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts, mit Artikeln, Übersetzungen und Gedichten, die in Il Mera erschienen, einer von Gabriello Martinelli, dem Pfarrer von Bondo, gegründeten und geleiteten Halbmonatsschrift, die zwischen 1889 und 1894 erschien.
Agostino freundete sich mit Gaudenzio Giovanoli (1893-1977) an, einem der wenigen anderen Sozialisten der Val Bregaglia, und begann mit ihm in verschiedenen Bereichen zusammenzuarbeiten. Zur Verbreitung ihrer Ideen nutzten sie vor allem die Prese und publizierten in den sozialistischen Zeitungen Libera Stampa und Bündner Volkswacht. 1917 gründete Agostino eine eigene Zeitschrift, La Bregaglia del Popolo, an der sich sein Freund Gaudenzio ohne zu zögern beteiligte. Da Agostino den lokalen Druckereien misstraute, liess er seine Zeitschrift im Tessin drucken. Die Auslieferung glich einer Geheimaktion, die Abonnenten waren handverlesen und der finanzielle Verlust einkalkuliert. Doch für die beiden Sozialisten war La Bregaglia del Popolo ein wichtiges Werkzeug, um ihre politischen Ideen zu verbreiten und neue Initiativen ins Leben zu rufen. Mit Inbrust und Weitsichtigkeit behandelten die beiden Redakteure in ihren Artikeln aktuelle Themen ihrer Zeit, wie zum Beispiel Pazifismus und Antifaschismus, und brachten, insbesondere in ihrem Briefwechsel, ihre Missbilligung der Machtübernahme Mussolinis in Italien und seiner Politik der Unterdrückung der Grundrechte zum Ausdruck.
4. Agostino Fasciati: Der Autor
Agostino Fasciati veröffentlichte drei Prosa- und Gedichtbände. Den ersten – Chiaroscuri – verfasste er, als er in Casaccia lehrte (1891). Sehr viel später sollten zwei weitere folgen: Giovinezza (1925) und Carezze e baci (1931). In ihnen kommt seine Unduldsamkeit gegenüber Ungerechtigkeit, sozialen Gegensätzen, Heuchelei, Lüge und Falschheit zum Ausdruck. Die Thematiken spiegeln den Gemütszustand des Autors während der Zeit wider, in der die Bücher entstanden. So geht er von Ironie und Spott immer mehr zu Schmähungen der Mächtigen, der Politiker und Kirchenvertreter und Feinde des Volkes über und legt einen mehr und mehr bissigen, anarchischen und nihilistischen Geist an den Tag, der erfüllt ist von Bitterkeit und Einsamkeit. In Giovinezza erinnert er auch an die Schikanen, denen er nach seinem Debakel im schulischen Bereich und in der Politik ausgesetzt war. Darüber hinaus übersetzte er neben Artikeln und Gedichten Gewalt und Sozialismus von Leonhard Ragaz sowie Publikationen für Schulen aus dem Deutschen.
Als Autor und Publizist nutzte Agostino Fasciati das Pseudonym Fulvio Reto oder die Initialien d.t.
5. Agostino Fasciati und Gaudenzio Giovanoli
Mit Gaudenzio Giovanoli (1893-1977), der ebenfalls in Soglio geboren wurde und mehr als vierzig Jahre als Lehrer in Maloggia/Maloja arbeitete, verband Agostino trotz des Altersunterschieds von dreissig Jahren eine Freundschaft und die Zusammenarbeit als Publizisten und Verbreiter der sozialistischen Idee. Die beiden Lehrer gehörten der Conferenza magistrale an, dem Lehrerverband des Tals, und wurden beauftragt, eine Liste von Büchern für die Einrichtung einer öffentlichen Bibliothek des Kreises Bergell zusammenzustellen, von denen jedoch ihre Kollegen viele ablehnten. In der Liste fanden sich literarische Werke bekannter Schriftsteller, geschichtliche Abhandlungen, wissenschaftliche Werke und, da sie auch an das Lesevergnügen dachten, verschiedene Sammlungen von Liebesgedichten sowie das Kamasutra, das berühmte Lehrbuch der Liebeskunst. Aber die meisten der vorgeschlagenen Bücher wurden von den Kollegen abgelehnt und Agostino und Gaudenzio berichteten ausführlich in ihrer Zeitschrift, wobei sie die Mitglieder der Lehrerkonferenz „Fledermäuse und Eulen” nannten. Ihre heftige Reaktion in La Bregaglia del Popolo veranlasste die Konferenz, auf einer Entschuldigung zu bestehen: Die beiden weigerten sich jedoch empört und legten Beschwerde beim Erziehungsdepartement ein, das die Wiederaufnahme der beiden Ausgeschlossenen verlangte, was allerdings ohne Folge blieb. Agostino war bereits arbeitslos, Gaudenzio dagegen sollte weitere 32 Jahre an der Gesamtschule in Maloja/Maloggia lehren.
6. Agostino Fasciati: Die politische Karriere
Trotz der sozialistischen Ideen, die Agostino Fasciati im ländlichen Alpenraum verbreitete, der alles andere als offen und aufgeschlossen war, wurde er während seiner Zeit als Lehrer an der Realschule in Soglio (1912-1922) Bürgermeister der Gemeinde Soglio und 1915 sogar Präsident des Kreises Bergell und Abgeordneter im Grossen Rat, dem Kantonsparlament in Chur: Er wurde zweimal wiedergewählt, bevor die aufgebrachte Reaktion der ‘Feinde des Volkes’, die es nicht mehr duldeten, ständig an den Pranger gestellt zu werden, dafür sorgte, dass er abgewählt wurde.
Über diese Zeit berichtet er: „Als Kreispräsident habe ich den niedrigen Pöbel kennengelernt und als Grosser Rat den gehobenen.“ Bestärkt durch seine politische Aktivität kandidierte er auch als sozialistischer Abgeordneter für den Nationalrat. Obwohl er auf kantonaler Ebene ein gutes Ergebnis erzielte, allerdings nicht in den ländlichen Tälern (und schon gar nicht im Bergell), wurde er nicht gewählt. Und hier endete 1922 seine politische Karriere, zeitgleich mit der Schliessung ‘seiner’ Schule in Soglio. Ab 1924 dachte Agostino immer wieder darüber nach, aus der sozialistischen Partei auszutreten, denn, wie er in einem Brief an seinen Freund Gaudenzio Giovanoli schrieb: „Wenn mich die Genossen nicht unterstützen, bedeutet das, dass wir keine gemeinsamen Ideen haben; und ich kann nicht der Genosse von Leuten sein, die anders denken.“ Im Jahr 1928 verliess er die sozialistische Partei von Graubünden endgültig und verriet Gaudenzio: „Ich fühle mich erleichtert.“
7. Agostino Fasciati: Die Genossenschaften
Die beiden Lehrer Agostino Fasciati und Gaudenzio Giovanoli engagierten sich in zahlreichen Initiativen für die Verbesserung der sozialen und wirtschaftlichen Lage der Menschen. Ein erster Schritt gelang ihnen in Soglio, wo während des Ersten Weltkriegs ein Gemeindebackofen und eine Genossenschaftsmolkerei entstanden. Die Bäckerei-Genossenschaft von Soglio schloss nach zahlreichen Konflikten 1930. In der Zwischenzeit war es Agostino und Gaudenzio gelungen, den entscheidenden Anstoss für die Gründung einer Konsumgenossenschaft zu geben, die ab 1921 in fast allen Orten im Tal Läden eröffnete.
Mit besonderer Ausdauer und Leidenschaft setzten sich die beiden für die Nutzung von Wasserkraft und den Bau einer Eisenbahnlinie ein, wurden aber stets bitter enttäuscht. Mehr Erfolg war der Einrichtung einer Krankenkasse im Bergell beschieden, die jedoch wegen der ständig steigenden Kosten in grossen Schwierigkeiten war. Der von den beiden Initiatoren in La Bregaglia del Popolo gestarteten Kampagne war zumindest ein Erfolg beschieden: Für die Vergütung der Ärzte im Tal wurde eine Höchstgrenze festgelegt. Dagegen konnte die radikalste Forderung, die Beiträge entsprechend dem Einkommen zu bemessen, nicht verwirklicht werden. Allerdings wurde die Krankenkasse saniert und bestand weiter.
8. Agostino Fasciati: Das Beziehungsleben
In einem Brief aus dem Jahr 1892 schreibt der 28jänrige Agostino aus Legnano an seine Eltern in Soglio: „Schickt mir bald sichere Nachrichten, was die Neuigkeiten von Checca angeht. Ich muss unbedingt wissen, ob das, was ihr erzählt, wahr ist oder nicht: Erkundigt euch. Dann, sollte es wahr sein, seht in meiner roten Brieftasche nach, wo ihr ein Foto von ihr findet: Schickt es mir. Versäumt es bitte nicht.“
Ein Jahr später schreibt er, immer noch aus Legnano, an seine Eltern:
„Checca hat einen Mann, ihr solltet wissen, dass Checca einen Mann hat!“
In Chiaroscuri widmet Agostino ihr ein respektloses Gedicht, was das Ende ihrer Verbindung bezeugt.
Später (1922) äussert er sich in einem Lebenslauf in der Bündner Volkswacht wie folgt: „In Vicosoprano [Lehrer von 1886 bis 1889] habe ich mich auch verlobt. Aber die Götter meinten es diesmal gut mir: Sie wurde die Frau eines anderen.“
Das Tagebuch aus Roncobello (BG)
Während seiner Zeit als Lehrer in Bergamo arbeitete Agostino Fasciati in den Sommerferien als Buchhalter in einem Hotel, um sein Gehalt aufzubessern. Dort schrieb er ein Tagebuch, das den Zeitraum von Juni bis Juli 1908 umfasst. Im Mittelpunkt steht seine Liebe zu der Witwe Maddalena Beretta, die seiner Ansicht nach nicht erwidert wurde. Es handelt sich um eine neuen und ungewöhnlichen Aspekt in Agostinos Gefühlsleben. Er leidet und beklagt sich, denn ihm zufolge schreibt sie ihm nie. Er fühlt sich allein und niedergeschlagen und ist erfüllt von düsteren Gedanken. Man gewinnt den Eindruck, dass er alles daran setzt, sich davon zu überzeugen, dass sie ihn nicht liebt. Agostino ist eifersüchtig und misstrauisch und voller Selbstmitleid. Er ist vierundvierzig Jahre alt.
Doch es stimmt nicht, dass sie nie von sich hören lässt. In dieser kurzen Zeit und in den darauffolgenden Monaten schreibt sie ihm etwa zwanzig Postkarten und sechs Briefe. Im letzten zeigt sie sich untröstlich, weil er ‘verschwunden’ sei. Häufig beginnt sie mit ‘Mein lieber Agostino’ und schliesst mit ‘Immer deine Maddalena’.
Überwand er schliesslich seine mutmassliche, irgendwie im Zaum gehaltene Misogynie oder handelte es sich um einen letzter Streich? Tatsache ist, dass er am 1. Mai 1942 Frida Bleuler aus Zürich heiratete. Anderthalb Monate später starb er.
9. Agostino Fasciati: Polemisch auch im fortgeschrittenen Alter
Der Auszug aus einem Brief an Edmondo Gianotti aus Casaccia vom 19. November 1940 verdeutlicht den polemischen Geist Fulvio Retos auch in Bezug auf eher gewöhnliche, höherer Gewalt geschuldete Vorfälle.
„Ich schreibe und schreibe. Es ist eine Schande. Wir werden behandelt wie die Hunde: vergessen, vernachlässigt, uns selbst überlassen. Seit drei Tagen weder Strom noch Post noch Telefon.
Der Strom betrifft die Firma Scartazzini & Co. Hier ist eine Handbreit Schnee gefallen. [in Soglio]. Es stimmt, er ist nass und schwer und hat dafür gesorgt, dass ein paar Masten umgefallen sind. Wahrscheinlich waren sie morsch. Jetzt sind drei Tage vergangen, um sie wieder aufzustellen, und die Masten liegen immer noch da. Wir werden daran denken, wenn der Vorschlag von Casaccia [ein Elektrizitätswerk zu bauen] wieder auftaucht. Wir müssen den Hebel ansetzen, verdammt nochmal! Herr Agotas, auf geht es! Vielleicht gewinnen wir.”
Auch ausserhalb des heimatlichen Tals wird er als polemisch wahrgenommen. Christian Michel, der wie Agostino im Grossen Rat sass, allerdings für den politischen Gegner, das heisst, die Demokratische Partei, beschrieb ihn als „Vulkan, der Holzklötze, Felsblöcke und Gesteinsbrocken ausspuckt, die niemand verdauen kann.“
Die letzten Jahre seines Lebens verbrachte Agostino in Armut und Einsamkeit. Sein Tod am 15. Juni 1942 wurde wie folgt kommentiert: „Er war ein sehr reger, origineller und etwas exzentrischer Mann, der viele Feinde und wenige Freunde hinterlässt.“
10. Agostino Fasciati: Der Fotograf
Über Agostino Fasciatis fotografische Arbeit vor 1908 ist nichts bekannt. Den vielen schriftlichen Zeugnissen, die er hinterlassen hat, darunter Briefe, Artikel, Anmerkungen in Notizbüchern und zahlreiche, überall verstreute Notizen zu den unterschiedlichsten Themen, lässt sich praktisch nichts über seine Arbeit als Fotograf entnehmen.
Einige wenige Hinweise finden sich in dem knappen, zwischen dem 30. Juni und dem 16. Juli in Roncobello (BG) geschriebenen Tagebuch.
„Sie haben mit dem Mähen begonnen. Ich werde schöne Fotos machen, hoffe ich.“
„Heute Abend habe ich einige Fotoplatten entwickelt und das Ergebnis war zufriedenstellend, aber nicht ohne Enttäuschungen. Die grossartige Silhouette der Rätischen Alpen fehlt und die Farben kommen nur mit minimalen Abstufungen heraus. Ich werde es mit kürzeren Belichtungszeiten versuchen.“
Unter ‘Farben’ versteht Agostino di verschiedenen Grautöne zwischen den Gegensätzen Weiss und Schwarz, die wunderschöne Nuancen hervorbringen.
Weitere Informationen in Bezug auf Agostino und die Fotografie ergeben sich, als sein Freund und Genosse Gaudenzio Giovanoli in der Konsumgenossenschaft von Maloggia/Maloja Postkarten für ihn verkauft. Aus einigen Abschnitten ihrer Korrespondenz geht, inmitten geschäftlicher Belange, „Bescheidenheit, Diskretion und sozialistischer Geist“ hervor, wie jemand bemerkt hat.
„Ich schicke dir auch zwei Postkarten von meinen Schülern während eines Ausflugs nach Albigna. Vielleicht interessiert sich jemand dafür.“ (Soglio, 27. Juli 1925)
„Ich lege 6 Fotos bei (eines nicht mehr im Handel). Du sprichst von einem Arbeiter, also gewähre ruhig einen Preisnachlass.“ (Soglio, 3. Februar 1926)
„Das Foto der Kleinen ist nicht so, wie ich es wollte, sie wurde nicht im richtigen Moment getroffen: Ihr etwas zahnloser Mund wäre besser geschlossen und ihr Lächeln sollte nicht so lakonisch sein. Wir versuchen es im nächsten Jahr wieder“ (Soglio, 12. Oktober 1927)
„Die Fotografien sind einigermassen gelungen; das Mädchen ist gut getroffen, so scheint es zumindest mir.“ (Soglio, 2. April 1928)
„Es gibt schon Methoden, um schöne Dinge zu machen, aber wer kauft sie, wer zahlt das, was sie wert sind?“ (Soglio, 12. Juli 1928)
„An dem Tag in Maloggia hatte ich Glück: fünf Platten, die meiner Ansicht nach perfekt sind.“ (Soglio, 5. November 1929)
„Ich lege zwei Fotografien bei: Gib sie der Frau, die in dem kleinen Haus neben der katholischen Kirche wohnt. Wenn sie fragt, was sie kosten, sag ihr, dass sie für meine Seele beten soll.“ (Soglio, 6. November 1929)
11. Das Fotoarchiv
Es ist interessant, kurz zu darauf einzugehen, wie die ca. 3000 Glasnegative Agostino Fasciatis, die im historischen Archiv der Società Storica Bregaglia (SSB) aufbewahrt werden, an ihren Bestimmungsort gelangt sind. Neben der direkten Übergabe haben die mit weiteren Dokumenten gemischten Fotografien, Postkarten und Glasnegative, das heisst, die Originale, recht ungewöhnliche Wege zurückgelegt. ‘Klassisch’ ist die Herkunft von den Dachböden alter Häuser, die ausgebaut werden sollten und deswegen entrümpelt wurden.
Auf dem Dachboden von Agostino Fasciatis Elternhaus in Soglio befanden sich neben vielen anderen Dingen auch Platten des Fotografs. Von einigen hatte Agostino selbst Postkarten gezogen, um sie zu verkaufen, andere wurden an das Hotel Maloja Palace verkauft, wahrscheinlich einschliesslich der Urheberrechte. Etwa sechzig Glasnegative aus dem Archiv der SBB bezeugen, dass eine Ende der 1920er Jahre entstandene bedeutende Dokumentation über die Wintersportaktivitäten des Maloja Palace auf den Fotografen aus Soglio zurückgeht. Viele Fotos erschienen in der Publikation eines der letzten Direktoren des Maloja Palace, ohne Angabe des Fotografen, was dafür spricht, dass Agostino Fasciati sie einschliesslich der Urheberrechte verkauft hatte.
Die Herkunft der übrigen geht ebenfalls auf Dachböden-Speicher zurück. Als das Haus in Soglio verkauft wurde, hatte es Vorrang, das Dach zu renovieren, und der gesamte Trödel wurde entsorgt. Nicht wenige der Fotoplatten landeten in Abfalltonnen, wurden aber zum Glück von einem Handwerker aus dem Tal gerettet.
Andere dagegen legten ungewöhnlichere Wege zurück. Vor den Abfalltonnen gab es die städtische Mülldeponie, auf der ein Deutscher mit Ferienhaus in Soglio eine Schachtel mit Glasnegativen fand, die er mit nach Deutschland nahm, wo sie wiederum auf dem Dachboden landete. Vor einigen Jahren entdeckte ein Nachfahre während einer Instandsetzung die Schachtel, brachte sie zurück nach Soglio und schenkte sie dem Fotoarchiv.
Einige (wenige) Familiendokumente, Zeitungsausschnitte, Fotografien und Postkarten sowie weitere Glasnegative gelangten in einen Antiquitätenladen in Chiasso und kamen, ebenfalls über Umwege, in das Fotoarchiv.
Die letzten Glasnegative wurden 2023 entdeckt, als zwei Maurer bei der Renovierung eines Bauernhauses in der Nähe von Stabio (TI) Dokumente aus dem Haus in Soglio fanden, darunter 2000 Glasnegative, die sie dem Archiv übergaben.